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Die digitale Produktivitätspyramide

Aktualisiert: 6. Dez. 2021


Stellt dir vor, wir hätten einen Lehrplan für die moderne Wissensarbeit.


In dem Lehrplan werden die grundlegenden Kompetenzen geschult, die heute in einer Kultur der Digitalität gefordert sind. Er vermittelt Grundkompetenzen, die für jede Art von Wissensarbeit eingesetzt werden können, nicht nur für eine Fachdisziplin oder einen bestimmten Beruf.


Wir haben im Austausch mit Wissensarbeiter:innen festgestellt, dass oft neue Tools eingesetzt werden, um anspruchsvolle Herausforderungen bei der Arbeit zu meistern. Die dann gewählte new shiny app bringt eine Neuerung mit sich, die für eine kurze Zeit zu helfen scheint. Sehr oft wird dann aber lediglich eine weitere Ebene der Komplexität hinzugefügt, die das ursprüngliche Problem nur noch verstärkt.


Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, haben Tiago Forte und sein Team die Produktivitätspyramide entwickelt. Sie bietet einen Rahmen für jede Phase der Lernreise einer Wissensarbeiter:in.


Die Pyramide zeigt zum einen, wie die unterschiedlichen Kompetenzen aufeinander aufbauen und diese kontinuierlich erweitert werden können. Zum andern verbindet sie digitale Tools, die wir mit der jeweiligen Kompetenz sinnvoll verbinden und anwenden können.


Wir hoffen, dass dieser Rahmen allen, die versuchen, die riesige Anzahl von Lernressourcen zu neuen Arbeitsmethoden zusammenzustellen, als Leitfaden dienen kann. Er stellt einen Lehrplan dar, der nicht auf standardisierten Prüfungen oder Abschlussanforderungen basiert, sondern auf den tatsächlichen Anforderungen der Arbeit des 21. Jahrhundert bzw. der 21st century skills.


1. Nicht-linear

Der entscheidende Durchbruch, den wir für die Entwicklung dieses Modells benötigten, war die Erkenntnis, dass digitale Produktivität kein linearer Lernprozess ist. Man lernt nicht eine Fähigkeit nach der anderen, in strikter Reihenfolge, sondern es ist vielmehr ein kontinuierliches vertraut werden und Hineinwachsen in die jeweiligen Kompetenzen. Wir schätzen, dass 90 % der Vollzeit-Wissensarbeiter:innen die Stufe 1 beherrschen, während weniger als 1% die Stufe 5 beherrschen.


2. Fertigkeiten + Technologien

Jede Stufe der Pyramide ist eine Kombination aus menschlichen Fertigkeiten, die durch eine digitale Technologie ergänzt oder erweitert wird: Hardware, Software oder Online-Plattformen.


Diese Fertigkeiten reichen von einer meta Ebene (bemerken, was man bemerkt) bis hin zu sehr konkreten Anwendungen (Verwendung eines Textexpanders - ein Helferchen, um wiederkehrende Texte mit einer Tastenkombination einzufügen). Durch die Verknüpfung mit einem digitalen Werkzeug können diese Fähigkeiten erweitert, vereinfacht und vielseitig genutzt werden.


3. Emergenz

Jede Ebene geht aus der darunter liegenden hervor, indem sie dieselben Kernprinzipien erweitert. Und jede Ebene nutzt die Zeit und Aufmerksamkeit, die durch die darunter liegende Ebene frei wird.


Dabei folgen die Lernschritte meistens einem ähnlichen Ablauf: Man hat eine anfängliche Entwurfs-/Einrichtungsphase, in der die wichtigsten Systeme eingeführt und Gewohnheiten trainiert werden. Darauf folgt eine längere Optimierungs-/Anpassungsphase, bis man schliesslich eine Expertise und vertiefte Anwendungskompetenz hat.


4. Informationsflüsse

Die Blöcke innerhalb jeder Stufe sind von links nach rechts angeordnet, nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern in Bezug auf die Richtung, in die die Information fliesst. Die tatsächlichen Verhaltensweisen, die mit jeder Fähigkeit verbunden sind, können in beliebiger Reihenfolge stattfinden, sind aber im Allgemeinen so organisiert, dass Informationen von einem Zustand zum anderen verarbeitet werden.

Hier ist die Pyramide mit all ihren Einzelheiten.


Lass uns erklären, was die einzelnen Stufen bedeuten.



1. Digitale Kompetenzen


Enthält:

  • Grundlegende Computernutzung

  • Surfen im Internet

  • grundlegende E-Mail-Nutzung

  • Tastaturkürzel

  • Digitale Kalender

  • Terminplanungs-Apps

  • Read Later Apps

  • Inbox Zero

  • Passwortverwaltung

  • Speed reading

  • Zeiterfassung

  • Textexpander

Digitale Kompetenzen beziehen sich auf die grundlegendsten Kenntnisse im Umgang mit Computern, z. B. wie man eine Website besucht oder ein Textdokument erstellt. Stufe 1 der digitalen Produktivitätspyramide erweitert dieses Konzept auf die digitale Kompetenzen.


Die Beherrschung von Computerkenntnissen ist ein Lernprozess, der nie endet. Selbst die fortgeschrittensten Benutzer:innen lernen ständig neue Tastenkombinationen, entdecken neue Funktionen ihrer Geräte und optimieren ihre Einstellungen.


Wir haben diese Kernfähigkeiten an das untere Ende der Pyramide gestellt, weil alles andere von ihnen abhängt:

  • Die Konzentration auf die eigene Aufgaben (Stufe 2) ist mit vielen Unterbrüchen verbunden, wenn man keinen speziellen Platz zum Lesen von Online-Artikeln (Stufe 1) hat.

  • Der Aufbau von Routinen (Stufe 3) wird ohne einen zuverlässigen digitalen Kalender (Stufe 1) sehr schwierig sein.

  • Es ist schwieriger, die Zeit zu finden, Dateien zu organisieren (Stufe 4), wenn der E-Mail-Posteingang ausser Kontrolle geraten ist (Stufe 1).

Lücken in der Anwendung auf hohem Niveau lassen sich oft auf Schwächen in Grundkompetenzen zurückführen. Kleine Unklarheiten auf niedrigeren Ebenen können sich auf höheren Stufen zu grosser Frustrationen summieren, wenn man versucht, auf höheren Ebenen zu brillieren.


Wenn du dich auf die Fähigkeiten der Stufe 1 konzentrierst, werden alle darüber liegenden Stufen gestärkt. Dazu gehören beispielsweise der Aufbau einer soliden Morgenroutine (Stufe 3), die Neugestaltung der wöchentlichen Review (Stufe 2) oder die Einrichtung eines Textexpanders oder Passwortmanagers (Stufe 1).



2. Aufgabenverwaltung und Arbeitsablauf


Enthält:

Sammeln | Verarbeiten | Organisieren | Durchsehen | Erledigen

  • Sammeln: Sammeln, was deine Aufmerksamkeit erregt

  • Verarbeiten: Entscheidet, was es bedeutet

  • Organisieren: Ordnet es an seinem Platz

  • Durchsehen: Überprüft, was du gesammelt hast

  • Erledigen: Maßnahmen ergreifen

Aufgabenverwaltung ist im Wesentlichen eine "erweiterte Aufgabenliste". Beliebte digitale Aufgabenmanager sind zum Beispiel Omnifocus, Things, Todoist, 2Do und Toodledo oder analog mit der Bullet Journal Methode.


Ein Workflow ist einfach die Abfolge von Schritten, die du bei der Verwaltung von Informationen mit einem Aufgabenmanager durchläufst, von der ersten Identifizierung einer potenziellen Aktion bis zur Fertigstellung.


Obwohl es viele Möglichkeiten gibt, einen Aufgabenmanagement-Workflow zu erstellen, gibt es eine, die sich von allen anderen abhebt: David Allen's Getting Things Done (GTD) Methode. Die fünf Stufen von GTD sind so grundlegend dafür, wie umsetzbare Informationen erfasst und bis zur Fertigstellung verwaltet werden, dass wir sie zur Kennzeichnung dieser Stufe verwendet haben:

  • Unvollständiges Sammeln (d. h. Aufschreiben) deiner Aufgaben wird zu einem Engpass für jedes ehrgeizige Projekt, das man in Angriff nehmen will, da Entscheidungen und Verpflichtungen verloren gehen

  • Der Versuch, Aufgaben zu erledigen, die nicht richtig verarbeitet (d. h. so formuliert sind, dass sie umsetzbar und ergebnisorientiert sind), ist schwierig und frustrierend, da nicht klar ist, warum man sie erledigt.

  • Die umfassendste Sammlung potenzieller Aufgaben ist nutzlos, wenn sie nicht so organisiert ist, dass sie schnell erkannt und umgesetzt werden kann.

  • Die strategische Entscheidungsfindung hängt von der Reflexionsphase (Durchsehen) ab, die man sich nimmt, um all die gesammelten Informationen sinnvoll zu nutzen.

  • Und natürlich laufen all diese Aufgaben auf eine übermässige Aufzeichnung hinaus, wenn sie nicht tatsächlich erledigt und bearbeitet werden.



3. Gewöhnungsbildung und Verhaltensänderung


Nach einer anfänglichen Einarbeitungszeit muss jeder der fünf Grundsätze aus Stufe 2 auf Autopilot gestellt werden, um seine volle Wirkung zu entfalten. Der Schlüssel liegt darin, für jedes Prinzip eine kritische, automatische Gewohnheit zu etablieren:

  • Sammeln => Sammelgewohnheit

  • Verarbeiten => Nächste physische Handlung

  • Organisieren => Projektliste

  • Durchsehen => Wöchentlicher Rückblick

  • Umsetzung => Kontexte/Prioritäten

Diese Gewohnheiten lassen die Grundsätze des Aufgabenmanagements in den Hintergrund treten und beanspruchen mit der Zeit immer weniger Aufmerksamkeit. Wenn wir die Grundprinzipien verstehen, können wir originelle, kreative Wege finden, sie an unsere individuellen Bedürfnisse und Vorlieben anzupassen.

Auf Stufe 3 geht es nicht nur darum, neue Gewohnheiten zu entwickeln, sondern auch darum, bestehende Gewohnheiten loszulassen oder anzupassen. Dazu müssen wir die zugrunde liegenden persönlichen Erzählungen, Anreize und Muster untersuchen, die unser Verhalten bestimmen, und danach psychologische Ansätze und Designtechniken einsetzen, um sie neu zu gestalten.



4. Persönliches Wissensmanagement


Enthält:

Während es in Stufe 2 darum geht, den Informationsfluss im Zusammenhang mit Aktionen zu bändigen, geht es in Stufe 4 um unseren Wissensfluss.

Persönliches Wissensmanagement (PWM) ist eine Reihe von Fähigkeiten und Werkzeugen, die ermöglichen, das Wissen, das man bei der Erledigung der Arbeit sammelt, zu erfassen, zu organisieren und einzusetzen. Es stammt aus verschiedenen Bereichen wie der digitalen Archivierung, dem Prozessmanagement und dem Projektmanagement und umfasst Softwareprogramme für E-Reading, digitale Notizen, Textverarbeitung, Cloud-Speicher und viele andere.

Persönliches Wissensmanagement ist das Thema von Vernetze dein Gedächtnis, einem Online-Kurs, in dem wir Menschen dabei helfen, ihr kreatives Potenzial zu entwicklen und die digitalen Aspekte deines Alltags sinnvoll zu gestalten.



5. Just-in-Time Projektmanagement


Als Berufstätige haben wir nicht die Zeit, uns einen Wissensschatz anzueignen und ihn dann wie in der Schule in einer Prüfung zu reproduzieren. Berufliche Bildung muss direkt neben der täglichen Arbeit stattfinden. Wir müssen das Flugzeug bauen (und lernen, es zu fliegen), während es abhebt.


Wenn PWM nachhaltig sein soll, muss es die Durchführung von realen Projekten direkt ermöglichen. Deshalb ist das Just-in-Time Projektmanagement der Schlussstein der Pyramide. Das Wissen, das wir sammeln und verwalten, muss einen unmittelbaren Nutzen haben, um gerechtfertigt zu sein, und nicht erst weit in der Zukunft.


Du musst zwar nicht erst die Ebenen 1-4 aufbauen, bevor du mit der Arbeit an echten Projekten beginnst, aber der Umfang und der Ehrgeiz der Projekte, die du erfolgreich durchführen kannst, wird durch die strukturelle Integrität deiner Pyramide begrenzt. Je höher das Gebäude ist, das du errichten willst, desto stärker muss dein Fundament sein.



In unserem Kurs Vernetze dein Gedächtnis besprechen wir die Produktivitätspyramide ausführlicher.

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